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Letztlich haben sie den ganzen Be- trieb – Stück für Stück – auf den Kopf gestellt. Speziell drei Maßnahmen waren es aber, die spürbar aus der talsohle heraushalfen. erstens: eine kommerzielle Coli-/Clostridien-Mut- terschutzimpfung, die perfekt zur vorhandenen erregersituation passte und „direkt einen Kick nach vorne brachte“. zweitens: stärkere Saugfer- kel, da Hauschild den vormals zwei- wöchigen Produktionsrhythmus auf einen einwöchigen umstellte und die Säugedauer verlängerte (25 statt 21 tage). Drittens: ein ferment-Wasser- gemisch, das der agrarbetriebswirt bis 14 tage nach dem absetzen, neben seinem üblichen trockenfutter, fütterte. Dreimal täglich bietet er es den tieren in anfütterungsschalen an. „Harm hat das ganze zusammen mit seinem futterberater ausgeheckt. es funktionierte vom ersten augenblick an, eine super Sache“, sagt Wüllner anerkennend. Die „super Sache“ be- steht aus Weizen, gerste und Soja- bohnen, die mit Wasser und Milchsäurebakterien versetzt und dann wärmebehandelt werden. „Die Bakterien vermehren sich und zerset- zen das getreide. Die ferkel bekom- men quasi vorverdautes, damit leicht verträgliches futter“, erklärt die Me- dizinerin. „im Verdauungstrakt der tiere angekommen, stabilisieren die Mikroorganismen zudem die Darm- flora, die sie besiedeln. Dabei konkur- rieren Milchsäurebakterien, das darf man nicht vergessen, mit pathogenen Keimen. Die Milchsäurebakterien ma- chen ihnen das Leben schwer.“ trotzdem, so meint sie, wusste an- fangs niemand, ob die im nachhinein so überzeugend wirkende Strategie aufgehen würde. „Die antibiose ab- zusetzen, war eine mutige entschei- dung, auch vor den Mitarbeitern, die angst hatten, jeden Morgen tote fer- kel im Stall zu finden.“ Während sich Wüllner erinnert, klet- tert Hauschild auf den futter-Contai- ner im Vorraum, in dem das vorproduzierte ferment lagert, und wirft die Pumpe an. Dann lässt er sich das dickflüssige gemisch in die hohle Hand rinnen. ein geruch, der an war- mes Bier und frischen Brotteig erin- nert, steigt in die Luft. „Will jemand probieren?“, fragt er begeistert. als die reaktionen spärlich ausfallen, nimmt er selbst eine Kostprobe. „ganz schön sauer“, murmelt er und verzieht das gesicht. Seine Begeiste- rung mindert das jedoch nicht, ganz im gegenteil: Hauschild mag sein fut- ter – und er kommt ins erzählen. „als ich meinem Vater zum ersten Mal von meiner idee erzählte, ferment zu füt- tern, sagte der nur: ‚Du bist bekloppt. Das machst du nicht!‘“ Schon einmal, in den 1980er Jahren, hatte sich der familienbetrieb daran versucht. „Da- mals hat das aber gar nicht geklappt, die technik war noch nicht so weit“, erklärt der Junior. „Und es ließen sich nicht so kleine Portionen bestellen wie heute.“ erst mit Hilfe eines lang bekannten futterberaters gelang es schließlich, das familienoberhaupt zu überzeugen. Und, was sagt der Vater heute? „Läuft!“, antwortet Hauschild kernig und eilt schon weiter. Denn es gibt noch viel zu zeigen und noch mehr zu erklären, das betriebs- eigene antibiotikareduktions-Pro- gramm besitzt einige Bausteine. zum Beispiel Split-nursing. Harm Hau- schild: „Bei frischen Würfen, die mehr als 14 ferkel haben, trennen wir die stärksten für fünf Stunden ab.“ Wäh- rend die nebenan unter der Wärme- lampe warten, haben die Schwächeren, die sonst von ihren agilen geschwistern abgedrängt wür- den, zwei Säugephasen für sich allein. „in dieser zeit können sie sich mit dem Kolostrum, der energiereichen Vormilch der Mutter, versorgen. Von ihr gibt es nur wenige Liter, sie sind aber entscheidend für die immunab- wehr der heranwachsenden tiere“, ergänzt Wüllner. Sie hat durchweg gute erfahrungen gemacht, wenn Schweinehalter auf eine gleichmä- ßige Kolostrumversorgung des ge- samten Wurfs achten. Besonders dann, wenn die Würfe so groß sind wie bei Hauschilds Danzucht-Sauen. gekreuzt aus Dänische Landrasse und edelschwein tragen sie mit 118 tagen etwas länger und „bringen bis zu 20 lebend geborene ferkel, die muss man erstmal managen können“, meint Wüllner. gerade darum zahle sich die gute Kolostrumversorgung aus. „ich würde mir mehr Sauenhal- ter wünschen, die darauf achten. Split-nursing wird noch zu wenig ge- macht.“ Der erklärung dafür ist einfach: Die Methode ist betreuungsintensiv. ebenso wie das tauschen der Saug- ferkel, aber auch darauf setzt Hau- 25 Zum Hofe in Der PraxiS „Alles entscheidend sind die genaue beobachtung und das schnelle eingreifen.“

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