Layout 1
Zum Hofe 31 Wie kam es zum Wandel? „im Laufe meines Studiums wurden die tiere, mit denen ich es zu tun hatte, einfach immer größer. außerdem hatte ich damals das glück, auf Dr. Barbara Schalch zu treffen, die in München fleisch- und Lebensmittelhygiene lehrte. Sie hat mir das Thema nahegebracht. Den zweiten glücksfall erlebte ich während meines Pflichtpraktikums am Schlachthof. natürlich bin ich da erstmal superkritisch aufgelaufen, begegnete dann aber einem tierarzt, der mich unter seine fittiche nahm: er hat mich nicht, wie es vielen meiner Kommilitonen passierte, einfach am Pro- duktionsband abgestellt, sondern sich immer wieder bei- spielhafte fälle ausgedacht, mit denen ich mich rechtlich auseinandersetzen musste. außerdem erfuhr ich bei ihm ein für mich neues gedankengut, etwa dass wir tierärzte auch eine gesellschaftliche Verantwortung tragen, nämlich die, die Bevölkerung mit tierischem eiweiß zu versorgen. Die landwirtschaftliche tierproduktion ist wertvoll, sie er- nährt uns. über meine anschließende Doktorarbeit, die sich mit risikoorientierter fleischuntersuchung beschäf- tigte, bin ich 2008 erstmals zu Vion, meinem heutigen ar- beitgeber, gekommen.“ Sie haben sich selbst einige Jahre vegetarisch ernährt. Wie veränderte sich Ihre persönliche Einstellung? „Mir ist einfach klar geworden, dass ich das System und die Menge an fleisch, die verzehrt wird, nicht aufhalten kann. auch als Vegetarierin ändere ich persönlich daran nichts. Was ich aber für die tiere tun kann, ist, die Prozesse zu verbessern – auch wenn das jetzt etwas technisch klingt. Mein Motivator war immer der tierschutz, ihn mit der Schlachtung zusammenzubringen, hat mich gereizt. natürlich haben das nicht alle in meinem Umfeld verstan- den, wie auch! ich bekam tüchtig gegenwind aus meinem freundeskreis, auch von meinen tierarzt-Kollegen, und vielleicht habe ich anfangs auf mein Umfeld auch etwas zu idealistisch gewirkt.“ Was ist aus Ihrem Idealismus geworden? „enorm viel! es ist erstaunlich, was ich alles umsetzen konnte. Die Stellschraube, an der ein großer Schlachtbe- trieb dreht, ist gewaltig. Wer sich ernsthaft, wirklich ernst- haft, für tierschutz interessiert, muss das einfach sehen. ich habe ein tierschutz-überwachungssystem für Vion entwickelt, dazu gehören eigenkontrollen, Prozessopti- mierung, Schulung der Mitarbeiter und vieles mehr. Mit meinem fünfköpfigen team, darunter eine weitere tier- ärztin, steuern wir das deutschlandweite Qualitäts- sicherungssystem für Vion. Sie hören sich richtig begeistert an … „Ja, hätte ich eine eigene rinderherde, würde ich meine tiere immer zu Vion bringen. Die Prozesse sind hier optimiert und bestens überwacht. Menge und tierschutz schließen sich nicht aus.“ Viele würden Ihnen jetzt wohl widersprechen. Was für Erfahrungen machen Sie in dieser Hinsicht, etwa mit Studenten, die an einem Vion-Standort ein Praktikum absolvieren? „Wir kennen Praktikanten, die absolut konfrontierend auf- treten oder, anders herum, amWerkstor in tränen ausbre- chen. Was ich mir dagegen wünsche, sind Offenheit und neugier. Schließlich gehört auch dieser teilbereich zur tier- ärztlichen ausbildung, es geht um die gesundheit von Mensch und tier. Das ist bedeutungsvoll. Man muss das System ja nicht toll finden, aber sollte es doch nachvollzie- hen können, es sich einfach mal angucken und dann selbst zu einer Meinung kommen. Mit Wegschauen oder Sätzen wie ‚Schweine stinken‘ und ‚Schlachthof ist ekelig‘ kommt echt keiner weiter. ich glaube, der Schlüssel liegt bei den Lehrenden, sie haben alles in der Hand. Die praktischen erfahrungen in der nutztierhaltung und am Schlachthof müssen an den Universitäten vorbereitet werden, denn Praktika prägen! “ in Der PraxiS „Mein Motivator war immer der Tierschutz.“
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NTQ4MTg=