

Zum
Hofe
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NACH DER PRAXIS
Bakterielle
Detektive
PROF. DR. HELGA RÜBSAMEN-SCHAEFF
FORSCHT NACH NEUEN ANTIBIOTIKA
Wo sind die Unternehmen, die neue Antibiotika
entwickeln? Wo sind die innovativen Wirk-
stoffe, die in Zeiten multiresistenter Kranken-
hauskeime lebensgefährliche Infektionskrank-
heiten heilen? „Zum Hofe“ hat sich auf die
Suche gemacht und fand: Prof. Dr. Helga Rüb-
samen-Schaeff. Wenige Wochen, bevor die
Geschäftsführerin des Biotech-Unternehmens
AiCuris in den Beirat wechselte, nahm sie sich
Zeit für ein Interview. Dabei stand das Glück
Pate: Eine schwere Lungenentzündung hatte
die Chemikerin ins Krankenhaus gebracht. Das
zweite Antibiotikum half. Auch, dass dieses
Interview – wie geplant – stattfinden konnte.
Es heißt, AiCuris sei das einzige deutsche Unterneh-
men, das neue resistenzbrechende Antibiotika für die
Humanmedizin entwickelt. Stimmt das?
„Meines Wissens sind wir tatsächlich die Einzigen, die hier-
zulande breit aufgestellt an Gram-positiven wie Gram-ne-
gativen Bakterien forschen und Antibiotika entwickeln. Der
Pharmakonzern Sanofi, in den die deutsche Hoechst AG auf-
ging, betreibt seine Antibiotikaforschung heute in Frank-
reich. Die anderen großen deutschen Pharmafirmen haben
hiermit zwischen 2000 und 2006 allesamt aufgehört.“
Warum?
„Sie waren der festen Meinung: Antibiotikaentwicklung
lohnt sich nicht mehr. Patente liefen zu dieser Zeit aus, bil-
lige Generika kamen nach. Plötzlich sollten immer mehr
Substanzen, auch die neuen Entwicklungen, zu Generika-
Preisen zu haben sein. Und so etwas rechnet sich tatsäch-
lich nicht, wenn Sie, erstens, nach einem neuen Stoff
forschen und ihn, zweitens, klinisch testen müssen. Zudem
sind Antibiotika per se Opfer ihres eigenen Erfolgs: In 14
Tagen retten sie Leben, entlasten das Gesundheitssystem
– und werden abgesetzt. Chronische Erkrankungen sind da
finanziell sehr viel interessanter.“
Was Helga Rübsamen-Schaeff in wenigen Worten be-
schreibt, wurde ihr selbst zum Verhängnis. Oder auch zur
größten Chance: Als Senior Vice President leitete sie bis
2006 für ihren damaligen Arbeitgeber Bayer die Antiinfek-
tiva-Forschung. Zugunsten der einträglicheren Krebsfor-
schung stellte dieser jedoch das Geschäftsfeld ein. Damit
wurde aus der Chemikerin – im Alter von 56 Jahren – eine
Unternehmerin: Helga Rübsamen-Schaeff übernahm eine
ausgewählte Gruppe ihrer früheren Mitarbeiter, 13 vorhan-
dene Wirkstoffprojekte und gründete AiCuris. Finanziert
wurde das Biotech-Unternehmen von den Gebrüdern
Strüngmann, die ihr Unternehmen Hexal seinerzeit an den
Schweizer Pharmakonzern Novartis verkauft hatten und
nun in andere Gebiete investieren wollten.
Was brachte Sie dazu, die Antiinfektiva-Forschung in
die eigenen Hände zu nehmen?
„Die heutige Welt braucht Medikamente gegen Infektions-
krankheiten. Ich bin ein Überzeugungstäter und meine Mit-
arbeiter auch. Außerdem haben wir exzellente Projekte. Als
Bayer damals den Schlussstrich zog, habe ich mir gesagt:
Einer muss ja weitermachen. Daraus entstand AiCuris.“
In einem Geschäftsfeld, an das ein großer Player wie
Bayer selbst nicht mehr glaubte. Woher kam der Mut?