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Hofe
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NACH DER PRAXIS
„Natürlich haben mich meine Investoren gefragt: Also,
wenn Bayer nicht mehr weitermachen möchte, warum glau-
ben Sie denn an Erfolg? Meine Antwort war und ist bis
heute sehr einfach: Was medizinisch Sinn macht, wird auch
finanziell Sinn machen. Wenn eine Substanz gebraucht
wird, wird sie auch bezahlt.“
Das scheint so. Dafür, dass die Antibiotikaforschung
totgesagt wurde, machen Sie auf mich auch einen äußert
lebhaften Eindruck ...
„Ich habe auch keinen Grund, Trübsal zu blasen! In den
neun Jahren, in denen die Firma besteht, hat sie sich ex-
zellent entwickelt. Das sage ich nicht nur als begeisterte
Wissenschaftlerin, sondern auch als Geschäftsführerin.“
Helga Rübsamen-Schaeff muss, bevor sie das sagt, herz-
lich lachen. Soeben kommt sie von der legendären „JP
Morgan Conference“ aus San Francisco zurück. Die
Pharma- und Biotech-Branche präsentiert sich hier ihren
Investoren. Auch die AiCuris-Gründerin traf Lizenzpartner,
um neue Verträge zu verhandeln. Aufsehen erregte sie
hierbei 2012: Sie schloss mit dem amerikanischen Phar-
mariesen Merck einen der größten Lizenzverträge ab, den
je ein europäisches Biotech-Unternehmen einfahren
konnte.
Sind Antibiotika eigentlich zu billig?
„In meinen Augen müssen neue, lebensrettende Antibiotika
Marktpreise haben, wie wir sie aus der Onkologie kennen.
Krebsbehandlungen kosteten in den letzten Jahren zwi-
schen 20.000 und 100.000 Euro. Wobei es hier oftmals gar
nicht um Lebensrettung geht, sondern um Lebensverlän-
gerung, leider meist nur um einige Monate.“
Das klingt hart. Muss Pharma so rechnen?
„Eines muss klar sein: Wir brauchen neue Antibiotika und,
ja, das hat seinen Preis. Vor allem dann, wenn sie als Re-
serve-Antibiotika im Schrank stehen bleiben sollen und
nicht zum breiten Einsatz kommen. Die Einzelbehandlung
muss dann erheblich teurer werden – ansonsten können
Sie als Firma die Entwicklungsarbeit nicht stemmen.“
Wie sieht es in Zeiten viel beschriebener Krankenhaus-
keime mit Unterstützung der öffentlichen Hand aus?
„Für unsere am weitesten vorangeschrittene Neuentwick-
lung erhalten wir – vielmehr unsere Kooperationspartner
in der klinischen Entwicklung – seit kurzem EU-Gelder der
‚Innovative Medicines Initiative‘, abgekürzt IMI. Dahinter
steckt ein Förderprogramm für dringend notwendige, inno-
vative Medikamente. Es unterstützt kleine Unternehmen,
die noch nicht am Markt sind, also genau solche, wie wir
eines sind. Im Anschub sind Forschungsgelder dieser Art
auch wichtig – und wirklich ermutigend. Höhere Kosten bei
der Einzelbehandlung später im Markt können sie aber
nicht wettmachen.“
Sie sprachen soeben von einer Neuentwicklung. An
was für einem Antibiotikum arbeiten Sie gerade?
„Ich bitte um Verständnis, dass ich darauf nicht im Detail
antworten kann. Generell verfolgen wir aber zwei Strate-
gien: Zum einen versuchen wir, bereits vorhandene Wirk-
stoffklassen so zu verändern, dass sie mit Resistenzen
fertig werden. Hier haben wir vor allem ein neues Antibio-
tikum weit nach vorne gebracht, es deckt den Gram-nega-
tiven Keimbereich ab und in ihm viele Resistenzen. Die
Marktreife erwarten wir 2022.“
Und Ihre zweite Strategie ...
„... zielt auf ganz neue Wirkstoffklassen. Wir arbeiten hier
mit einer Partnerfirma zusammen. Mit Hilfe einer speziellen
Chemie-Software ist sie in der Lage, Moleküle zu ‚scannen‘,
die sich wiederum an ein Zielmolekül eines Bakteriums bin-
den sollen. Das ist ungeheuer spannend und führt auf völ-
lig neue Pfade. Die Forschung an Naturstoffen, auf die noch
einige Firmen setzen, haben wir übrigens aufgegeben.“
Kurz vor dem Interview wurde bekannt, dass eine US-ame-
rikanische Pharmafirma in der Natur fündig geworden ist.
Auch sie setzte auf eine Screening-Methode. Mit ihrer Hilfe
fanden sie einen im Erdreich lebenden Bakterienstamm,
der einen passenden, bislang unbekannten Wirkstoff pro-
duziert: Teixobactin. Er greift die Zellwände Gram-positiver
Bakterienstämme an, zu denen auch der multiresistente