Teil 2 - Krisen vermeiden,
bevor sie entstehen
bevor sie entstehen
Professor Dr. Dr. Andreas Hensel ist Veterinärmediziner, Mikrobiologe und Hygieniker und seit der Gründung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) im Jahr 2002 dessen Präsident und ständiger Gast im QS-Kuratorium.
Frage: BSE, Dioxin, Gammelfleisch – gibt es Situationen für Sie und Ihre Mitarbeiter, in denen Sie morgens lieber nicht zur Arbeit gehen würden?
Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel: Krisenprävention ist unser Kerngeschäft und auch die Kommunikation dazu. Insofern schläft hier niemand schlecht. Wenn man ehrlich ist, haben wir in den verschiedenen Bereichen, die wir begleiten, ständig irgendwo eine Krise. Da gibt es immer mal ein Produkt, das gerade inkriminiert wird oder etwas, wo es Grenzwertüberschreitungen gibt. Das nimmt die Öffentlichkeit nicht immer so wahr, aber für die betroffenen Branchen ergeben sich daraus manchmal existenzielle Fragestellungen.
Frage: Hat sich in diesen 20 Jahren etwas verändert in der öffentlichen Wahrnehmung von Krisen?
Hensel: Die Angst des Menschen vor Kontrollverlust ist etwas, wo jeder für sich nach einem archaischen Muster reagiert, beispielsweise durch Kämpfen, Weglaufen oder Totstellen. Das ändert sich nicht. In letzter Konsequenz würde das aber bedeuten, dass man kommunizieren kann, was man möchte, dieser Mechanismus läuft immer ab.
Frage: Zielt Ihr Handeln darauf, dem kritischen Verbraucher Informationen zu geben?
Hensel: Darüber können wir eine ewige Diskussion führen. Mittelbar nutzt alles, was wir tun, dem Verbraucher. Unmittelbar ist unser Kerngeschäft die Politikberatung. Wir haben fast 20 nationale Referenzlaboratorien für Routinen, die dazu dienen, die Fragen der Politik zu beantworten. Diese Aufgabe hat der Bundestag in unser Stammbuch geschrieben aus der Erfahrung der BSE-Krise, in der die Politik Informationen bewusst zurückgehalten hat, die man als Bürger gern hätte wissen wollen. In einem solchen Fall liegt es in unserer Verantwortung, egal was die Politik dann sagt, frei genug zu sein, eine entsprechende Kommunikation zu machen, und wir werden dafür auch nicht bestraft. Das ist eine mutige Ermächtigung mit einem großen Vertrauensvorschuss. Und dem fühlen wir uns natürlich verpflichtet.
Frage: Welche Rolle spielt dabei die Zusammenarbeit mit Institutionen wie QS?
Hensel: Die Sicherheit von Lebensmitteln liegt in der Hand derjenigen, die sie herstellen oder vertreiben. Das ist die moderne Art, für Lebensmittelsicherheit zu sorgen. QS hat sich gegründet mit der richtigen Idee, dass es schön wäre, wenn man sich in einer hochkomplexen Lieferkette vom Erzeuger bis zum Handel gegenseitig vertrauen könnte. Man sieht heute, dass das gut funktionieren kann in der Privatwirtschaft, wenn es gut organisiert ist. QS ist mit seiner Struktur sehr hilfreich für das System der Lebensmittelsicherheit. Das gibt es in anderen Ländern so nicht. Man müsste das einmal erforschen, aber augenscheinlich ist es so, dass dadurch, dass sich die gesamte Wirtschaft verpflichtet und nicht nur einzelne Unternehmer, die gesamte Prozesskette gemeinsam dafür sorgt, dass das Sicherheitsniveau steigt. Das ist in den letzten 20 Jahren deutlich erkennbar so. Man sieht auch, dass QS sich entwickelt, größer und standardisierter wird, und das trägt zur allgemeinen Lebensmittelsicherheit bei. Die Zahl der echten Krisen ist in den letzten 20 Jahren ja auch deutlich gesunken, auch wenn man das medial anders wahrnimmt.
Das Interview führte Nicole Ritter.