Mit Marktanteilen von rund 70 Prozent bei Geflügel und 24 Prozent bei Schwein ist die Initiative Tierwohl (ITW) aktuell Deutschlands größtes Programm zur Förderung des Tierwohls. Jetzt haben sich die Teilnehmer aus Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und Lebensmitteleinzelhandel auf eine Fortsetzung der ITW verständigt. Für 2021 hat die ITW den Start einer neuen, dreijährigen Programmphase angekündigt.
Eine wichtige Neuerung betrifft ab 2021 die Kennzeichnung von Schweinefleisch mit dem ITW-Produktsiegel. Aktuell können Verbraucher bereits Geflügelfleisch, das aus Ställen teilnehmender Landwirte stammt, am ITW-Produktsiegel erkennen. Ab 2021 soll dies auch für große Teile des Schweinefleisch-Sortiments der Fall sein
Dr. Alexander Hinrichs, Geschäftsführer der Initiative Tierwohl, sieht in der dritten Programmphase eine Jahrhundertchance
für die Landwirtschaft und die Gesellschaft: Unser Ziel ist es, das Mehr an Tierwohl der ITW auf ein wirtschaftlich nachhaltiges Fundament zu stellen. Das geht nur, wenn Tierwohl mittelfristig über den Markt finanziert wird. Zugleich stellt das neue Programm für die Landwirte, wie bisher in der ITW, Planungssicherheit und eine Honorierung ihres Engagements für Tierwohl dar. Um die ITW nachhaltig im Markt etablieren zu können, werden wir ab 2021 wesentlich mehr Tierhalter benötigen, die mitmachen, als jetzt. Diese neue Programmphase der ITW ist für Landwirte und Gesellschaft eine Jahrhundertchance: Erstmals kann Tierwohl breitenwirksam über den Markt getragen werden. Uns allen muss aber klar sein, dass diese Chance einmalig ist!
ITW kündigt neues Finanzierungsmodell an
Das neue Finanzierungsmodell der Initiative Tierwohl sieht eine Marktlösung für die Mast und einen Übergangsfonds für die Ferkelerzeugung (Sauenhaltung und Ferkelaufzucht) vor. Danach sollen teilnehmende Schweinemäster zusätzlich zum Marktpreis einen Tierwohlaufpreis von 5,28 Euro pro Mastschwein erhalten. Dieser Betrag wird von der ITW definiert, ist für alle teilnehmenden Tierhalter gleich bemessen und orientiert sich an den ermittelten durchschnittlichen langfristigen Kosten, die bei der Umsetzung der Tierwohl-Kriterien entstehen.
Der Tierwohl-Aufpreis wird von den Schlachtunternehmen an die Mäster entrichtet. Die Schlachtunternehmen verhandeln dann mit den Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels oder anderen Abnehmern bilateral die erforderlichen Aufschläge für Tierwohlfleisch. Die Preis-Gestaltung in Richtung Verbraucher soll nach Angaben der ITW in der Verantwortung der jeweiligen Lebensmitteleinzelhändler oder anderer Marktbeteiligten (z. B. aus der Gastronomie) liegen.
Wir sind zuversichtlich, dass dieses Modell Verbraucherpreise ermöglicht, die sich ein Großteil der Verbraucher leisten kann und wird. Uns geht es nicht darum Tierwohl so teuer zu machen, dass das ausschließlich Bio-Eliten bezahlen können
, erläutert Dr. Alexander Hinrichs das neue Finanzierungsmodell der Initiative Tierwohl.
Das neue Modell der Finanzierung verfolgt das vorrangige Ziel, künftig eine geschlossene ITW-Lieferkette von der Geburt des Tieres bis zum Endprodukt beim Verbraucher zu schaffen. Hierzu soll ein Übergangsfonds aufgesetzt werden, aus dem die Tierwohl-Maßnahmen der Ferkelerzeuger honoriert werden und der vom Lebensmitteleinzelhandel mit 2 Cent pro verkauftem Kilogramm Schweinefleisch finanziert wird. Nach Angaben der ITW wird sich der Fonds ein voraussichtliches Volumen von jährlich ungefähr 30 Millionen Euro umfassen.
Daneben soll es künftig – wie bei der Schweinemast – auch bei Geflügel keinen pauschal vom LEH gefüllten Fonds mehr geben. Die Unternehmen aus dem Handel oder anderen Branchen bestellen bei Geflügelvermarktern die Ware und wie in der Schweinemast soll dann ein fest definierter Aufpreis gezahlt werden. Allerdings soll dieser nicht direkt an den Mäster, sondern an eine von der Initiative beauftragte Clearing-Stelle entrichtet werden. Die Mäster erhalten dann über die ITW den Preisaufschlag, welcher unverändert einheitlich bei Hähnchen einen Betrag von 2,75 Cent, bei Putenhennen von 3,25 Cent und bei Putenhähnen von 4 Cent pro Kilogramm Lebendgewicht betragen wird.
Vereinheitlichung der Tierwohl-Kriterien für Schweinehalter
Im Zuge der Ankündigung der dritten Programmphase kündigt die ITW auch eine Vereinheitlichung der Kriterien für Schweinehalter an, um ein einheitliches Tierwohl-Niveau zu schaffen. Danach werden teilnehmende Schweinehalter künftig keine Wahlmöglichkeiten jenseits der Pflichtmaßnahmen mehr besitzen. Der künftig geltende Kriterienkatalog soll nach ITW-Angaben weitgehend den aktuell gültigen Grundanforderungen mit Tageslichteinfall, zehn Prozent mehr Platz und umfassenden Maßnahmen zur Tiergesundheit entsprechen. Allerdings werden die Kriterien zusätzliches organisches Beschäftigungsmaterial
und Raufutter
zu einem Kriterium zusammengefasst. Raufutter, das eine positive Wirkung auf die Tiergesundheit hat und in Bezug auf seine Darreichungsform die Funktion eines Beschäftigungsmaterials erfüllt, wird damit zur Pflicht. Die Kriterien für Geflügelhalter sollen dagegen in der aktuellen Form bestehen bleiben.
Staatliche Tierwohlkennzeichnung – ITW weiterhin offen für konstruktive Zusammenarbeit
Aktuell plant das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) die Einführung einer staatlichen Tierwohlkennzeichnung. Nach Aussage des Geschäftsführers der Initiative Tierwohl, Dr. Alexander Hinrichs ist die ITW weiterhin offen für eine konstruktive Zusammenarbeit: Grundsätzlich sind wir davon überzeugt, dass die ITW auch in der neuen Programmphase anschlussfähig für das geplante Staatliche Tierwohlkennzeichen ist. Es ist aber auch wichtig, dass ein staatliches Eingreifen in den Markt der Tierwohlsiegel so gestaltet wird, dass die im Markt befindlichen Siegel davon profitieren. Nur so lässt sich das gemeinsame Ziel ‚mehr Tierwohl‘ erreichen.