Die Neue Düngeverordnung – Expertenmeinungen Teil 2
Wie wird Ihre Wasserschutzkooperation von den Betroffenen vor Ort in NRW angenommen?
Christine Lessmann: Nach einer Laufzeit von über 30 Jahren arbeiten heute rund 11 700 Landwirt*innen und Gärtner*innen in 116 Kooperationen mit 160 Wasserversorgungsunternehmen zusammen. Sie werden von über 60 Spezialberater*innen der Landwirtschaftskammer, die von den Wasserversorgungsunternehmen finanziert werden, in allen Fragen des Wasserschutzes beraten. Schwerpunkte der Arbeit sind die Minimierung von Nährstoffausträgen und die Vermeidung von Pflanzenschutzmitteleinträgen in Grund- und Oberflächengewässer.
Die vereinbarten Vorgaben in der Kooperation liegen jeweils über den gesetzlichen Anforderungen. Wie wirken sich diese in der Praxis für die Betriebe aus und welchen Nutzen haben die Betriebe?
Wir haben in den letzten Jahren viele Maßnahmen getestet und zur Praxisreife gebracht. Als Beispiele seien hier genannt, die Einführung und Akzeptanz von N-min Analysen für die Bemessung der Düngegaben von Kulturen. Speziell für den Gemüsebau wurde die Umsetzung des KNS Verfahrens in der Praxis eingeführt. In Kooperationen wurde über die Jahre getestet, wann und in welchen Kulturen der Einsatz von stabilisierten Düngern die besten Ergebnisse beim sparsamen Einsatz von Stickstoff bringt. Ein weiteres Beispiel ist der Einsatz des Cultan-Verfahrens in landwirtschaftlichen Kulturen: Über die Ammonium-Depotdüngung kann vermieden werden, dass Stickstoff während der Kultur z.B. bei Starkregen in tiefere Bodenschichten gespült wird und dann der Kultur nicht mehr zur Verfügung steht. Bei der Beratung zur Optimierung von Bewässerung zum Beispiel nach dem Geisenheimer-Modell
wird eine zur besseren N Ausnutzung der Kulturen gefördert.
Sind Ihre Erfahrungen denn bei den neuen gesetzlichen Vorgaben berücksichtigt worden?
Viele freiwillige Maßnahmen sind mittlerweile in gesetzliche Vorgaben umgewandelt worden. Als Beispiel wäre hier der Anbau von Zwischenfrüchten zu nennen. Diese freiwillige Maßnahme, die auch finanziell gefördert wurde, ist jetzt Bestandteil der aktuellen DüV. Diese fordert den obligatorischen Anbau von Zwischenfrüchten auf nitratsensiblen Flächen, wenn diese vor dem 1. Oktober abgeerntet wurde. Erfolgt keine Einsaat bis zum 15. Januar des folgenden Jahres, darf eine nach dem ersten Februar gepflanzte oder gesäte Kultur gar nicht gedüngt werden.
Stichwort Neue DüV… Wie werden die Betriebe in der Umsetzung der neuen Vorgaben von der Beratung unterstützt?
Berater haben in der Kooperation zunächst einmal die Aufgabe zu vermitteln und zu beraten welche Maßnahmen betriebsindividuell und regional sinnvoll sind. Kann nach einer Kultur im Herbst der im Boden vorhandene Stickstoff mit einer Zwischenfrucht konserviert werden und im folgenden Jahr der Einsatz von Stickstoff eingespart werden?
Zukünftig müssen 20 % des lt. Bedarfsermittlung erforderlichen N Bedarfs einer Kultur auf nitratsensibeln Flächen eingespart werden. Daher wird sich die Beratung künftig auch in Richtung einer differenzierten Düngeplanung verstärken. Der Betrieb muss bei der die Düngeplanung den Anbau und die Belegung der Flächen des gesamten Jahres statt nur die Düngung einzelner Flächen im Blick haben. Hier kann die Beratung unterstützen welche Kulturen toleranter gegenüber einer Reduzierung des Bedarfs sind, um das Ziel einer 20 % Einsparung zu erreichen und trotzdem die vom Markt geforderten hohen Qualitätsstandards einzuhalten.
Insgesamt muss die Beratung langfristig und nachhaltig wirken damit eine vertrauensvolle Zusammenarbeit über die Jahre gewährleistet werden kann.
Gibt es Effekte auf die Nitratgehalte im Grundwasser?
Die Wasserwirtschaft steht nach wie vor hinter dem Modell der freiwilligen Zusammenarbeit. Grundsätzlich ist die Beratung zum Wasserschutz kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf. Veränderungen im Grundwasser sind aufgrund des langen Gedächtnisses des Bodens nur über viele Jahre zu erreichen. Wir sehen grundsätzlich die Erfolge der langfristigen kooperativen Zusammenarbeit in sinkenden Nitratgehalten in Messbrunnen. Der Grad des Erfolges ist selbstverständlich unterschiedlich, da Böden und andere Voraussetzungen wie z.B. Intensität der Viehhaltung und des Anbaus ebenfalls große Unterschiede aufweisen.
In NRW gibt es das bereits Modell- und Demonstrationsvorhaben zur Optimierung der N-Düngung im Freilandgemüsebau. Die Landwirtschaftskammer führt dieses auf drei Betrieben mittlerer Größe am Niederrhein und im Vorgebirge durch. Ergeben sich daraus bereits erste Erkenntnisse?
Im Projekt hat sich die kulturbegleitende Nmin-Beprobung als geeignetes Instrument herausgestellt, um Stickstoff in länger stehenden Gemüsekulturen einzusparen zu können. Es sind keine pauschalen Aussagen, auf welchen Flächen und bei welchen Kulturen größere N-Mengen eingespart werden können, möglich. Entscheidend ist, wieviel Stickstoff im Laufe der Kulturdauer im Boden freigesetzt wird. Neben organischer Düngung und Bodenart spielt das Wetter eine entscheidende Rolle. Um das Optimum bei der Einsparung von Dünger zu erreichen, sind bei länger stehenden Gemüsekulturen mit hohem N-Bedarf in der Regel begleitende Bodenproben mit angepasster Kopfdüngung sinnvoll. Das ist mit einem erheblichen Mehraufwand für die Betriebe verbunden. Bei kurzstehenden Kulturen ist es schwieriger Dünger einzusparen als bei länger stehenden Kulturen.
Sind die Anforderungen der neuen DüV also umsetzbar?
Ob ein Betrieb die von der DüV geforderten 20 % Düngung unter Bedarf im Betriebsschnitt auf nitratsensiblen Flächen einsparen kann oder nicht, hängt primär von den angebauten Kulturen und nur sekundär von seinen Düngemethoden ab: Betriebe, die neben Gemüse auch landwirtschaftliche Kulturen anbauen, haben dabei bessere Chancen als Betriebe mit reinen Gemüsefruchtfolgen. Herausfordernder ist ein hoher Anteil kurz stehender Kulturen, bei denen aufgrund der Kulturdauer keine Zeit ist, mit Bodenproben und Kopfdüngung die Düngung gezielt im Kulturablauf anzupassen. Aufgrund von Flächenknappheit und Wirtschaftlichkeit lässt sich in der Regel das Anbauspektrum eines Gemüsebaubetriebes nicht beliebig verändern und erweitern.
Nicht zuletzt spielt die Witterung ja auch eine große Rolle.
Definitiv. In einem nassen Jahr ist die Einsparung von 20% im Betriebsschnitt mit einem hohen Anteil flachwurzelnder Gemüsearten bei gegebenen Qualitätsanforderungen des Marktes nicht realistisch. Müssen Betriebe aufgrund von N-Mangelsymptomen Anbausätze aufgeben, ist eine schlechtere N-Effizienz zu erwarten und neben dem wirtschaftlichen Verlust wird das Grundwasser zusätzlich belastet. Bei einem optimalen Wasserangebot und guten Bedingungen für die Bodenmineralisation ist das Einsparen von durchschnittlich 20% realistisch, so die Erfahrung des Modellprojektes.